Gaia-X: Ein Marktplatz für den sicheren Datenhandel
Daten sind das Öl unserer heutigen Zeit – ihre Auswertung, Kombination und Nutzung eröffnen neue Anwendungen in Unternehmen und Möglichkeiten für Innovationen. Dennoch geben viele Unternehmen ihre wertvollste Ressource aus der Hand und vertrauen sie Plattformanbietern an – ohne Gewähr auf Sicherheit, Datenschutz und Transparenz. Einer der Gründe liegt in der großen Verunsicherung über den zulässigen Umgang mit Daten. So fragen sich besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU), welche Daten im Hinblick auf den Datenschutz (DSGVO) ausgetauscht werden dürfen. Den meisten KMU mangelt es an den nötigen Ressourcen und Fachwissen, diese Frage zu beantworten, wodurch die Mehrwerte der eigenen Daten ungenutzt bleiben.
Es fehlt ein standardisiertes und im Einklang mit dem Gesetz stehendes Grundgerüst für den Datenaustausch, das neben rechtlichen ebenso die praktischen Schwierigkeiten anspricht und löst. Mit Gaia-X soll sich dies nun ändern.
Was ist Gaia-X?
Kurzgefasst ist Gaia-X eine digitale Infrastruktur, die die Rahmenbedingungen für einen sicheren, transparenten und kontrollierten Datenaustausch schafft, ohne einem einzelnen Cloudanbieter sehr stark vertrauen zu müssen. Bei Gaia-X handelt es sich nicht um einen eigenständigen Cloud-Anbieter, sondern um ein föderiertes System zum Austausch von Daten und Diensten. Gaia-X baut auf den bisherigen Cloud-Lösungen auf und erweitert diese um einen rechtlichen und technischen Rahmen. Durch technische Services wird sichergestellt, dass der bestehende Datenhandel technisch sicher, transparent und kontrolliert verläuft und die europäischen Werte und Gesetze erfüllt.
Übersicht der Vorteile für KMU
Für Unternehmen löst Gaia-X zahlreiche Probleme und Schwierigkeiten im Arbeitsalltag. So gibt Gaia-X die Datenhoheit an Unternehmen zurück, ermöglicht einen einfachen Datenaustausch, gibt Rechtssicherheit beim Datenaustausch und löst technologische Integrationsprobleme durch die vielfältige Cloud-Edge-Landschaft auf. Darüber hinaus eröffnet Gaia-X neue Möglichkeiten für Geschäftsmodelle und in der Prozessoptimierung. KMU können mit Gaia-X Zukunftstechnologien erschließen und erlangen neue Einblicke in ihre Daten. Im Beitrag „Gaia-X: Vorteile für KMU“ werden die Benefits für Unternehmen beim Einsatz von Gaia-X vertiefter erläutert und mit Beispielen veranschaulicht.
Gaia-X verstehen
Gaia-X baut auf vier Grundsteinen auf: Identität und Vertrauen, Föderierter Katalog, Souveräner Datenaustausch sowie Compliance. Für den Aufbau der grundlegenden Infrastruktur und den Betrieb Gaia-X-konformer Ökosysteme stehen Softwarekomponenten zur Verfügung – die Federation Services.
Für das bessere Verständnis kann man Gaia-X auch mit einem Marktplatz vergleichen, wobei der Vergleich den Marktplatz nicht als eine zentrale Plattform, sondern einen regulatorischen Rahmen für den Handel sieht. Zuallererst baut dieser Markt dabei auf den Grundstein Identität und Vertrauen auf:
1. Identität und Vertrauen
Ein Marktplatz stellt einen Rahmen für sichere, geregelte und rechtlich zulässige Geschäfte dar und bietet die Möglichkeit zu handeln. Er schafft ein vertrauenswürdiges Umfeld für den Handel und stellt sicher, dass sich alle Marktteilnehmenden an die Regeln halten. So dürfen auf einem Markt ausschließlich Unternehmen ihre Stände aufbauen und sich beteiligen, die sich zuvor registriert und ihre Identität nachgewiesen haben. In einem Onboarding-Prozess werden die Identität und Angaben der Unternehmen dann nochmals gegengeprüft. Schließlich soll auf dem Markt kein Obstbauernschild stehen für jemanden, der anschließend minderwertige Uhren verkauft. Dadurch erhalten Marktteilnehmende die Sicherheit, dass die Waren, angegebene Qualität, weitere Eigenschaften und Prüfsiegel (Labels) der Wahrheit entsprechen. Somit wird ein vertrauenswürdiges Umfeld für den Handel sichergestellt.
2. Föderierter Katalog
Zudem hat jeder Marktteilnehmende einen „Stand“ auf dem Marktplatz, über den die Waren und Angebote präsentiert werden. Die Marktwaren bei Gaia-X sind Daten und der Marktstand eines Teilnehmenden bzw. Unternehmens wird online in einem Katalog angezeigt, über den die Unternehmen miteinander interagieren können. Der Markt stellt also einen oft sogar internationalen Handelsplatz dar, über den Unternehmen miteinander in Kontakt treten und Daten sicher austauschen und handeln können. Unternehmen aus ganz Europa, die sich ansonsten niemals begegnet wären, erhalten mit Gaia-X die Chance für einen Austausch.
3. Souveräner Datenaustausch
Für den sicheren Datenaustausch braucht es allerdings nicht nur eine vertrauenswürdige Umgebung. Der Datenaustausch muss kontrolliert werden können und gemeinschaftlich vereinbarten Regeln und regulatorischen Anforderungen folgen. Dies wird durch die Aushandlung von Zugriffs- und Nutzungsrechten sichergestellt. Unternehmen behalten ständig ihre Datenhoheit und wissen, wer für welche Zwecke welche Daten verwendet. Zudem braucht es einen Standard beim Datenaustausch. Handeln zwei Marktteilnehmende ihre Daten auf dem Markt, benötigen sie ein Mindestmaß an Konformität, welches sie technisch befähigt, miteinander Daten auszutauschen, die für jeden Dienst die Funktion gewährleisten. Die Sprache des Datenaustauschs ist unabhängig vom jeweiligen Unternehmenssystem. Egal, ob der Stand nun Daten in Apfel- oder Birnenform vorliegen hat, die Interoperabilität der von Gaia-X verwendeten Standards stellt sicher, dass der Beipackzettel auf einheitliche Art über die Form der Daten und ihre Nutzungsmöglichkeiten spricht. Zusätzlich können beim souveränen Datenaustausch Geschäfte automatisch protokolliert werden und sind dadurch nachverfolgbar.
4. Compliance
Compliance-Mechanismen stellen die permanente Einhaltung rechtlicher Regeln bei Nutzung von Gaia-X sicher (also vor, während und nach dem Datenaustausch) und geben Unternehmen rechtliche Sicherheit. Zu Beginn im Onboarding-Prozess wurde geprüft, ob die bzw. der Marktteilnehmende grundsätzliche Regeln und Standards erfüllt. Dies genügt jedoch nicht, um stetig am Markt teilnehmen zu können. Die bestätigten Vereinbarungen und die Versprechen zu den konkret angebotenen Produkten, insbesondere zu ihren Prüfsiegeln (Labels), müssen fortwährend eingehalten und aktualisiert werden – da der Markt von Gaia-X sich über ganz Europa erstreckt, wird auf eine automatisierte Überprüfung der Compliance gesetzt.
Wenn beispielsweise Zertifizierungen (vgl. Führerschein) zeitlich abgelaufen oder Angaben zu Labels nicht mehr aktuell sind, wird dies auf dem Marktstand vermerkt. Unternehmen können somit, falls ein anderes Unternehmen zum Beispiel über den Speicherort der ihm anvertrauten Daten lügt, dieses rechtlich belangen und sind somit selbst vor Unsicherheiten bei der Datenspeicherung geschützt. Dazu besitzen Föderationen die Möglichkeit, ihre eigenen Labels zu erstellen und spezifische Regelwerke für die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Bereiche aufzustellen.
Gaia-X in der Praxis
Es gibt verschiedene Initiativen, die Gaia-X umsetzen und die Gaia-X Federation Services implementieren. So zum Beispiel das Gaia-X Test Network der Initiative Pontus-X „Gaia-X Web3 Ecosystem“, das Integrationsprojekt der Initiative Gaia-X Federation Services und der Minimal Viable Dataspace der Eclipse Dataspace Components. Weitere Informationen zum europäischen Projekt Gaia-X und wie KMU bei der Entwicklung von Gaia-X mitwirken können, gibt es auf der offiziellen Website und beim deutschen Gaia-X-Hub.
Das Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke stärkt kleinen und mittleren Unternehmen das Rückgrat, um in intelligent und digital unterstützten Netzwerken wie Gaia-X erfolgreich zu agieren. Bei Interesse an Gaia-X steht das Zentrum kleinen und mittleren Unternehmen mit kostenlosen, anbieterneutralen und praxisnahen Informations- und Unterstützungsangeboten mit den Gaia-X-Expert:innen am Standort St. Augustin zur Seite.
Foto: Adobe Stock
Autorin: Hanna Kaschke
