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„Welding Valley“: Innovatives Verbundpraxisprojekt zum digital vernetzten Schweißen

Punktschweißen in Nahaufnahme

Schweißtechnik ist eine wichtige Querschnittstechnologie: Vom Einkaufswagen bis zu Leitungen für die Wasserstofftechnologie – ohne Schweißen geht gar nichts.

Im Verbundpraxisprojekt „Kooperative Open-Source-Entwicklung von eStandards in Produktion und Logistik am Beispiel der digitalen Prozessintegration in der Schweißtechnik”, kurz „Welding Valley”, steht die Schaffung bzw. Adaption anerkannter technischer Normen im Mittelpunkt. Diese Normen betreffen die durchgängige, echtzeitnahe Digitalisierung aller relevanten betrieblichen Prozesse.

Die Wertschöpfungsprozesse vor, während und nach dem Schweißen einschließlich der zwischenbetrieblichen Vernetzung sollen langfristig digital (in einem cyber-physischen System) mithilfe offener Standards und Systeme abgebildet werden: von der Auftragsanfrage über die Materiallogistik, Arbeitsvorbereitung, Auftragsverfolgung, Herstellung und Qualitätsprüfung bis zur Auslieferung und Rechnungslegung.  Während in vielen anderen Industriebranchen relevante internationale Normen und Verfahren (z. B. OPC-UA) zunehmend eine Rolle spielen, um Industrie 4.0 umzusetzen, werden sie beim Schweißen bislang nur punktuell genutzt.

Wenn Fachkräfte fehlen, muss so viel wie möglich automatisiert werden

Es ist wohl eines der größten Verbundprojekte im deutschen Mittelstand zur digitalen Transformation von eStandards im verarbeitenden Gewerbe. Ausgangspunkt ist die Hinwendung zum autonomen Schweißen infolge des Fachkräftemangels in der Branche. Das Technologie-Institut für Metall und Engineering (TIME) aus Rheinland-Pfalz entwickelt zusammen mit zahlreichen Unternehmen sein „Welding Valley“ und will dabei zahlreiche Standards unter Begleitung der Expert:innen aus dem Netzwerk des Kompetenzzentrums eStandards anpassen und einführen.

TIME-Geschäftsführer Dr. Ralf Polzin dazu: „Das Potenzial ist riesig. Vor allem dann, wenn man nicht nur an Digitalisierung, sondern auch an Automatisierung denkt. Wenn man viele Schweißprozesse automatisiert, können wir die wenigen Schweißerinnen und Schweißer da einsetzen, wo nur manuelle Tätigkeiten funktionieren, so dass man ihnen also auch die langweiligen Standardaufgaben abnimmt. Digitalisierung macht vor allem in der Schweißprozesssimulation am Rechner Sinn, die erheblich Arbeitsaufwände und Material spart.“

In dem Projekt sollen Stamm- und Prozessdaten betriebsübergreifend standardisiert und in eine Industrie 4.0-Infrastruktur eingebunden werden. Ziele sind u. a. Verbesserungen der Arbeitsproduktivität bei „Losgröße 1“ und der Qualität, sowie die Verkürzung des Time-to-Market und die Entwicklung hybrider Dienstleistungen rund um das industrielle Schweißen. Zahlreiche Unternehmen und drei Unternehmensnetzwerke haben ihr Interesse an der durchgängigen Informatisierung des Wertschöpfungsprozess über Betriebsgrenzen hinweg bekundet.

    Spezialisten aus Wissenschaft und Technik

    Mit Unterstützung externer Expert:innen wurden erste Lösungen zu wichtigen Entwicklungen rund um OPC-UA, TSN-Ethernet, IT-Referenzarchitekturen oder Distributed-Ledger-Technologien erarbeitet. Im Rahmen einer Fokusgruppe und einer formativen Evaluation wurde das Verbundprojekt im Frühjahr 2021 gestartet. Die erste Projektstufe wurde Anfang 2022 planmäßig abgeschlossen.

    Ein Kernteam aus Wissenschaftlern, erfahrenen Berater:innen und technischen Lösungsentwicklern hat das Projekt mit Konferenzen, Jour-fixes, Vorträgen und Workshops organisiert; Mitglieder sind:

    • Erich Behrendt, Fachreferent und Evaluator des Kompetenzzentrums eStandards
    • Markus Bläser, Gründer und Geschäftsführer der [MB] Software und Systeme GmbH
    • Georg Kuhlmann, EDV-Berater
    • Sven Müchler, Leiter Technologie und Innovationsmanagement des Unternehmens Kämper GmbH u. Co KG
    • Florian Paproth, Dozent für Informatik und digitale Fertigung
    • Dr.-Ing. Ralf Polzin, Geschäftsführer des Technologie-Instituts für Metall & Engineering GmbH (TIME),
    • Ulla Reichberg, Consultant, in line consult
    • Dr.-Ing. Olaf Röper, Partner ACENT AG, Berater für CxOs, Moderator
    • Prof. Dr. phil. Michael Schäfer, Professor an der Hochschule Ruhr West
    • Christoph Szedlak, DigiMit²-Kompetenzzentrum, Hochschule Koblenz
    • Prof. Dr. Patrick Tichelmann, Prodekan FH Köln

    Das Marktumfeld

    Durch das Feedback beteiligter Industriepartner wurden Aufgabenstellungen identifiziert, die im Rahmen des Verbundpraxisprojekts adressiert wurden. Dazu gehören auch übergeordnete, nicht technologiespezifische Themen, die grundsätzliche Herausforderungen für die Unternehmen bedeuten:

    • Der Konkurrenzdruck nimmt stetig zu.
    • Branchenfremde Unternehmen drängen durch Anwendung neuer Technologien und Vertriebsszenarien in den Markt.
    • Die Möglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen hinsichtlich verfügbarer Kompetenzen und finanzieller Mittel sind gegenüber Großunternehmen stark eingeschränkt. Zudem können sich Mittelständler keine risikobehafteten Experimente leisten. Sie sind im Allgemeinen eher operativ aufgestellt, visionäre Ideen finden dort oft keinen Platz.
    • In kleinen und mittleren Unternehmen fehlt es oft an einer zielgeführten Sichtung und Bewertung zukunftsweisender Möglichkeiten zur nachhaltigen Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit.

    Kooperation schafft neue Marktchancen

    Durch die Schaffung von Standards soll eine Vernetzung aller Elemente innerhalb von Prozessketten, also z. B. von Schweißbrennern, Schweißmaschinen, Robotern, aber auch von Hardware-Schnittstellen oder der Qualitätssicherung, erreicht werden. Denn: An jeder Stelle entlang der Prozesskette entstehen Daten, aber heute ist es nicht möglich, die einzelnen Elemente miteinander kommunizieren zu lassen. Das Fernziel dabei heißt Autonomes Schweißen; das bedeutet, dass eine Fertigungsstraße sich automatisch auf das einstellt, was gerade erforderlich ist.

    Eine umfassende Datennutzung und -analyse, verbunden mit dem Schutz digitaler Identitäten und der Hoheit über die jeweils eigenen Daten, schafft in allen Wertschöpfungsstufen Vorteile hinsichtlich Prozessoptimierung und -transparenz, Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, Produktoptimierung, Wartung und Instandhaltung, Qualitätsmanagement und -sicherung.

    Wie geht es weiter?

    Neben vielen schweißenden Betrieben wollen Schweißgerätehersteller, Sondermaschinenbauer, Roboterhersteller und Verbände – in der Summe rund 160 Unternehmen – im „Welding Valley“ mitarbeiten. Unterstützt wird das Projekt zukünftig auch von Hochschulen, u. a. der Hochschule Koblenz, der TH Köln, der University of Europe for Applied Sciences und der Hochschule-RuhrWest. Wenn die Förderung aus Bundesmitteln im Rahmen der Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung gewährleistet ist, wird das Projekt als Cluster offiziell gegründet, und Arbeitsgruppen werden Detailaufgaben und Maßnahmen zur Zielerreichung definieren. Fernziel ist die Schaffung eines Reallabors, in dem kollaborativ Standards definiert und dann demonstriert werden. Schweißtechnischen Unternehmen aus der Region und der gesamten Bundesrepublik soll dann die Möglichkeit geboten werden, Einzelkomponenten für ihren Betrieb zu übernehmen und zu nutzen.


    Autor: Ulrich Hardt

    Copyright: TIME Technologie-Institut für Metall & Engineering

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