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Kinderkleidung mieten statt kaufen: Neue Geschäftsmodelle mit Sharing Economy

Eine Gruppe Menschen wirft Kleidung in die Luft

Lisa Händel ist studierte Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet seit sechs Jahren bei der Online-Plattform „Räubersachen“. Räubersachen vermietet fair produzierte Wollkleidung für Babys und Kleinkinder in Bioqualität. Über die Website können Eltern die benötigten Kleidungsstücke mieten und später wieder zurückschicken. Räubersachen pflegt und repariert diese und gibt sie erneut für andere Kund:innen in den Gebrauchskreislauf.

Im folgenden Interview spricht Lisa Händel mit uns über nachhaltige Wertschöpfung, New Work und Soziokratie.

Lisa, Du begleitest Räubersachen von Anfang an und warst bis vor kurzem Geschäftsführerin. Was sind Deine Aufgaben dort?

Meine Rolle ist über die letzten sechs Jahre im Unternehmen mitgewachsen. Ich bin noch als Gesellschafterin tätig und nehme aufgrund meiner Erfahrung auch eine zentrale Rolle ein. Bei Räubersachen befasse ich mich jetzt hauptsächlich mit strategischen Entscheidungen, verantworte den Kundenservice und bin im Finanzkreis tätig. Ich bin auch dafür verantwortlich, dass unsere Grundwerte nach innen und außen gewahrt werden.

Wie kam es zur Gründung einer Online-Mietplattform für Kinderkleidung, was war die Idee dahinter?

Die Idee für Räubersachen entstand aus einer Notlage unserer Gründerin Astrid. Sie brauchte neue Sachen für ihr kleines Kind und fand keine passenden Angebote für ökologische Kinderkleidung aus Wolle. Auch die Suche nach gebrauchter Kleidung auf Flohmärkten oder eBay-Kleinanzeigen war für sie sehr mühsam. Für Astrid war klar, dass es ein Angebot für Eltern geben müsse, wo man Kleidung mieten kann, dass diese möglichst lange halten soll und im Kreislauf bleibt. Dann wurde sie selbst aktiv und gründete eine Online-Plattform, auf der Eltern neue und gebrauchte ökologische Kinderkleidung mieten können.

Wer ist an eurem Wertschöpfungsnetzwerk beteiligt? Teilst du diesen Netzwerkgedanken?

Zum einen sind es die Kleidungshersteller, von denen wir neue Kleidung beziehen. Daneben ist der Austausch mit unseren Kund:innen für uns besonders wertvoll. Hier bekommen wir ein direktes Feedback und können noch genauer hinschauen, was sie brauchen und wollen. Ich persönliche teile diesen Netzwerkgedanken, weil ich es sehr wichtig finde, dass unsere Sachen nachhaltig sind. Ich finde an unserem Konzept großartig, dass ein wirklicher Austausch mit den Kleidungsherstellern stattfindet. Wir geben ihnen ein direktes Feedback zu ihren Produkten – etwa zur Haltbarkeit der Kleidung, wie praktisch sie ist oder was zu schnell kaputt geht. Das ist eher unüblich in dieser Branche, da Unternehmen in der Regel nur die Kleidung kaufen und weiterverkaufen. Das befruchtet sich meiner Meinung nach gegenseitig, und viele Zulieferer sind dankbar dafür und können so ihre Produkte weiterentwickeln.

Hast du Tipps für Unternehmen, wie man Kooperationspartner findet und ein nachhaltiges Wertschöpfungsnetzwerk starten kann?

Ich halte es für sinnvoll, dass Unternehmen sich unterschiedlichen Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit anschließen. Wir sind neuerdings beim Innovationsprogramm „Circular Futures“ dabei. Diese Initiative ist gerade gestartet und will ein nachhaltiges Netzwerk im Bereich Kreislaufwirtschaft schaffen. Das ist eine gute Möglichkeit, mit anderen Unternehmen in Kontakt zu kommen. Zudem können Unternehmen selbst ihre Expertise als Hilfestellung anbieten. Für mich persönlich ist es wichtig, dass man als Unternehmen nicht allein dasteht. Wir haben mittlerweile auch ein kleines Netzwerk, wo wir uns mit anderen Unternehmen austauschen können.

Räubersachen setzt auf eine moderne Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien. Das „New-Work-Konzept“ ist fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Wie ist der Weg hin zum Konzept des New Work bei Räubersachen entstanden?

Bei Räubersachen ist das Konzept von New Work intuitiv entstanden. Im Jahr 2017 hatte Astrid drei weitere und mich mit ins Boot der Geschäftsführung geholt. Wir waren dann eine Weile zu fünft als Geschäftsführer:innen tätig und haben uns mit der Frage beschäftigt, wie wir Verantwortung verteilen wollen und Entscheidungen treffen. Zusammen mit unserer Coachin sind wir auf die Soziokratie gestoßen. Wir haben die Posten der Geschäftsführung abgelegt und die Rolle von Gesellschafter:innen eingenommen. Unsere Funktion ist es jetzt, die Grundwerte des Unternehmens zu wahren und den Rahmen zu halten. Seitdem verfolgen wir das Ziel, dass unsere Mitarbeiter:innen selbstverantwortlich in ihren Bereichen arbeiten können. Das ist ein fortlaufender Prozess, da immer wieder neue Mitarbeiter:innen dazukommen und das Unternehmen wächst.

Kannst du kurz erklären, wie Selbstorganisation durch Soziokratie bei Räubersachen funktioniert?

Dass Grundprinzip bei Räubersachen ist, dass im Konsens entschieden wird. Bei uns werden alle Entscheidungen in soziokratischen Kreisen getroffen. Zum einen haben wir monatliche Meetings, die alle unsere Mitarbeiter:innen betreffen. Hier kann jede:r Vorschläge einbringen. Dazu gibt es ein Stimmungsbild und wenn niemand mehr einen Einwand hat, werden Beschlüsse gefasst. Zur Soziokratie gehört für uns auch, dass wir Kreise schaffen, in denen die jeweilige Verantwortlichkeit festgelegt wird. Das sind diejenigen, die die meiste Kompetenz zum jeweiligen Thema besitzen. Es gibt bei uns also nicht den einen Chef, sondern Menschen mit der jeweiligen Verantwortung, die Entscheidungen treffen. Alle Entscheidungen werden in regelmäßigen Abständen immer wieder evaluiert.

An Räubersachen kann man erkennen, wie ein modernes Geschäftsmodell von Mitarbeiter:innen gelebt werden kann. Hast du Tipps für Unternehmen bei der Umsetzung von New Work?

Ich rate jedem dazu, sich einen guten Coach zu suchen. Dieses Konzept funktioniert nur dann, wenn man sich regelmäßig mit allen Mitarbeitenden zusammensetzt. Es ist sehr wichtig, einen entsprechenden Rahmen dafür zu schaffen. So kann man besprechen und ausloten, wo man steht und wo es hingehen soll. Mithilfe eines Coachings können meiner Erfahrung nach Spannungen oder Konflikte mit gezielten Methoden gelöst werden, ohne Unternehmensprozesse zu blockieren. Ein weiter Tipp von mir für Unternehmen ist, sich ständig weiterzuentwickeln.

Vielen Dank für deine Zeit!


Autorin: Jennifer Milas, Fraunhofer FIT
Copyright: Marcia Friese

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